Wem gehört die Stadt?

Marburg wird umgestaltet- seit Jahren und radikal. Der Abriss des Biegenecks und die Modernisierung der Ketzerbach zerstörten nicht nur das Stadtbild, sondern brachten den Anwohner _Innen auch saftige Mieterhöhungen.

Doch das Thema ist nicht historisch, sondern heute aktueller denn je: Vor allem steigende Studierendenzahlen bringen immer mehr Menschen nach Marburg. Was fehlt, ist der Wohnraum. Ein bezahlbares Zimmer zu finden, ist eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Viele Vermieter Innen und Makler Innen nutzen die schlechte Situation schamlos aus. Und die Stadt sieht als „Lösung“ offenbar den privaten Neubau von noch teurerem Wohnraum. Das sind namentlich die Projekte Campus I, II und III der Wohnungsbaugesellschaften S+S und Depant, die dort beispielsweise für 35m2 Wohnraum 450€ kalt veranschlagen, also einen Quadratmeterpreis von ca. 12,90€.

Gleichzeitig wird vor allem billiger Wohnraum zerstört. Ein unter Denkmalschutz stehendes Haus in der Rosenstraße, das zahlreiche WGs zu sozialverträglichen Mieten beherbergte, musste zum Beispiel dem neuen Gebäudekomplex der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) von Dr. Reinfried Pohl weichen.

An der Person Pohl zeigt sich gleichzeitig wie undemokratisch über die Zukunft der Stadt Marburg entschieden wird. Zuletzt sorgte Pohl mit einer Spende in Höhe von €4.000.000 an die Stadt für einen „Skandal in Pohlhausen“ und fast für das Ende der rot-grünen Koalition. Zuvor wurden bereits eine Vielzahl von Parteispenden an CDU, FDP und Grüne getätigt. Zudem sind Stiftungen an die Universität und ihr Klinikum bekannt. Doch hinter diesen „milden Gaben“ stecken klare Interessen: Pohl will seinen Einfluss auf die Universität und die Stadt vergrößern.

Doch diese Entwicklung wird nicht schweigend hingenommen. Schon in den 90er Jahren kämpfte z.B. die Initiative „Biegeneck bleibt!“ gegen die Wegnahme von billigem, selbst organisiertem Wohnraum und eine Umgestaltung der Stadt. Lasst uns an diese gute Marburger Tradition anknüpfen, denn betroffen sind wir alle!

Wir fordern: Mieten senken- öffentlichen und selbstverwalteten Wohnraum schaffen.

Die Stadt gehört uns!

Die Marburger Nordstadt im Wandel

Seit einiger Zeit ist ein umfassender Wandlungsprozess im Marburger Nordviertel im Gange. Drei “Großprojekte” betreibt die Marburger Immobilien-Firma “S+S Grundbesitz GmbH”. Dem Unternehmen ist es laut eigener Aussage eine „Herzensangelegenheit, das Image des nördlichen Stadtviertels zu verbessern”. Dies soll erreicht werden mit dem Bau des “Neumarkt Nord”, der im März 2012 fertiggestellt wurde, des “Campus III” in der Alten Kasseler Straße auf dem ehemaligen Gärtnerei-Gelände der Universität und mehrerer Häuser für “generationenübergreifendes Wohnen” in der Neuen Kasseler Straße.
Der „Neumarkt Nord“ beheimatet seither einen Supermarkt, eine Drogeriekette, eine Bäckerei sowie ein Reisebüro. Das Einkaufszentrum erscheint in der Darstellung der Immobilienfirma im Internet als erster Schritt zu einem „liebens- und lebenswerten Stadtteil“, der das Nordviertel aus Sicht von „S+S“ bisher anscheinend nicht war. Der Werbeslogan des Unternehmens: “Leben im Nordend – Mitten im Leben”.
In der Alten Kassler Straße entsteht auf ehemaligem Bahngelände das „Campus III“-Projekt. Es ist die Fortführung der Projekte „Campus I und II“, die nach eigenen Angaben eine „Erfolgsgeschichte“ waren und beinhaltet 107 Studentenwohnungen inklusive Tiefgarage. „S+S“ verkauft die Eigentumswohnung an Privatleute, die sie dann wiederrum weitervermieten. Was man dabei am Ende an Mietpreisen erwarten kann, zeigt ein Vergleich mit dem „Campus I“. Dort bezahlt man etwa für 35qm 450 Euro kalt, was einen Quadratmeterpreis von stolzen 12,90 Euro ergibt. Die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter beträgt laut „Immobilienscout24“ in Marburg 8,50 Euro. Die
vermeintliche Schaffung von „studentischem Wohnraum“ entpuppt sich am Ende so als teure Überraschung.

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